Angemessene Kleidung
Da man im Restaurant meines Hotels so großen Wert auf Erscheinen in angemessener Kleidung legt, dass das sogar mit Aushang eines Plakates in sieben verschiedenen Sprache kundgetan wird, versuchte ich, als typischer Mitdemstromschwimmer, mich bestmöglich aus dem Ei zu pellen und in Schale zu werfen.
Schwarze Hose - nicht zu haute couture, aber auch nicht zu leger - schwarzer Ledergürtel mit silberner Schnalle, schwarze Socken, fast ohne Löcher, weißes Kurzarmhemd mit dezenten güldenen Längsstreifen, frisch gekämmte und gestylte Haare, geputzte Zähne und schwarze Bama - Schuhe wie barfuß (Danke an den großzügigen Sponsor!). Derart gepimpt ging ich natürlich nicht in das Restaurant. Nein, ich erschien dort, einer Lichtgestalt gleich, um der Lokalität den Stil zu offenbaren.
Erst angesichts der Anwesenden wurde ich dessen gewahr, dass bereits ein Stil dort Einzug gehalten hatte. Ein Stil, der Mooshammer dazu getrieben hätte, an den Jungenstrich zu fahren und dort zu fragen: "Wer von euch möchte mich auf dem Gewissen haben? Ich wär jetzt so weit. Und die Daisy auch. Gö, Daisy? Ja."
Ausgewaschene T-Shirts, viel zu enge und viel zu kurze Hosen und - und daran waren die Deutschen Urlauber eindeutig zu identifizieren - Sandalen mit weißen Socken darunter. Ein Mode-Gomorrha.
Dennoch verlor ich nicht die Nerven, begann ich nicht, hysterisch an meiner Kleidung zu reißen und sie mit den Leckereien des Buffets zu beschmieren. Nein, ich machte gute Mine zum bösen Spiel und setzte mich mit dem Vorhaben, mich einmal quer durch das Angebot zu fressen.
Über das Salatbuffet sollte ich aber nicht hinauskommen. Denn just in dem Moment, in dem ich gierig versuchte eine ganze Tomate in meinen Mund zu stopfen, betrat eine Slowenin den Raum und gedachte, direkt am Tisch gegenüber von mir Platz zu nehmen. Sie war um die 60, mit kurzem weißem Haar, viel zu engen, viel zu kurzen Hosen in blasslila und war - nun, sagen wir mal - recht überproportional proportioniert. Und dann... sie wissen ja, wie das bei Autounfällen ist. Man möchte nicht hinsehen, gibt hiefür Pietätsgründe an, findets in Wahrheit aber einfach nur zu grausig, aber man muss einfach gucken... Und so war es auch bei dieser Dame. Sie trug ein weißes Oberteil, das aussah, als wäre es aus Fliegengitter selbst gefertigt. Auch der Sichtschutzfaktor war jenem des Ungezieferabweisers sehr ähnlich. Und sie trug nichts darunter.
So gewährte sie dem gesamten speisenden Auditorium ausgiebige Blicke auf ihre Brüste, die so unterschiedlich tief hingen, dass man annehmen möchte, Straffungen würden neuerdings in zwei voneinander unabhängigen Schritten, nämlich erst rechts, dann links, vorgenommen.
Zur nächsten Mahlzeit erschien es mir daher angebracht, in Sandalen mit weißen Socken, ansonsten aber unbekleidet zu erscheinen, was auch niemanden störte und somit wohl als angemessene Kleidung gewertet werden kann.